3 Dimensionen des Lernen im interkulturellen und digitalen Team (1/3)

Ein Gastbeitrag von Anette Haferkorn.

Die Organisation Kultur vivante (@KulturVivante) wurde 2019 gegründet und ist seither auf ein 6-köpfiges Management-Team und über 30 redaktionell tätige Mitglieder angewachsen. Die Zusammenarbeit in diesem Team funktioniert, auch schon vor der Krise, bewusst rein digital und dezentral. Unser Team verzichtet auf einen festen Sitz oder regionale Zusammenschlüsse. Wir arbeiten über ganz Europa vernetzt zusammen und haben uns dabei inzwischen auf die Nutzung von Slack und Trello spezialisiert. 

Nach nunmehr 1,5 Jahren der Zusammenarbeit und der Entwicklung habe ich beschlossen einige unserer Learnings zu sammeln und zu veröffentlichen. Denn schließlich möchten wir als transparente, innovative und agile Organisation auftreten und dazu gehört es für mich auch, dass wir unsere Entwicklung, unsere Hindernisse und unsere Lösungswege offen kommunizieren. Denn nur durch Offenheit für Fehler, können wir unsere Entwicklung fortführen! 

In dieser Reihe beschäftige ich mit unseren Lernprozessen:

  1. Im ersten Teil mit Lernen als Team,
  2. im zweiten mit Lernen als Organisation und im
  3. dritten mit den Learnings für mich als Einzelpersonen. 

Diese Learnings mögen für jede Organisation etwas anders ausfallen, dennoch hören wir von anderen Organisationen von ähnlichen Problemen und Fragestellungen. Daher habe ich mich entschieden meine Ansätze offen zu kommunizieren. 


1. Was wir als Team gelernt haben

Unsere Organisation wurde gegründet und wenige Wochen nach der offiziellen Bekanntgabe unseres Daseins traten bereits die ersten Mitglieder in unsere Organisation ein. Innerhalb eines Jahres hat sich unser Team von drei aktiven Gründungsmitgliedern auf über 30 Mitglieder verzehnfacht. 

In diesem Team kennen sich die wenigsten Mitglieder persönlich, die wenigstens wohnen in einer Stadt und gesprochen wird 50/50 deutsch oder französisch. Die meisten kennen sich nur aus Videokonferenzen oder Slack-Nachrichten. 

Diese Entwicklung entspricht unseren Gründungszielen. Wir wollten grenzüberschreitende Zusammenarbeit – digital, kulturell und deutsch-französisch. Wer bei uns Mitglied wird, weiß das und mag diese Arbeitsweise oder lernt sie zumindest kennen. 

Dabei stoßen wir, wie die meisten Organisation, die gewollt – oder durch Corona erzwungen – in 100% remote Arbeit wechseln, auf Probleme. Viele davon sind ganz pragmatisch schnell gelöst: 

  • Wie organisiere ich Projekte? Mit Software! Podio, Asana, Trello, Slack… Die Auswahl an exzellenten Tools ist da, es liegt nun an den Teams ein Tool auszusuchen und loszulegen. 
  • Wie organisiere ich Videokonferenzen? Mit Software! Zoom, Jitsi, Meet … auch hier bietet sich eine breite Auswahl an mehr oder weniger datenschutzfreundlichen Tools. Im Vorfeld versendet noch ein besonders digital affines Teammitglied eine Doodle Umfrage, und dem Meeting steht nichts mehr im Wege. Außer einer stabilen Internetverbindung und der Mikrofonkonfiguration aller Beteiligten. 

Aber ist das wirklich der Kern dessen, was wir uns unter Arbeit vorstellen? Besonders in der interkulturellen Zusammenarbeit, in der grenzüberschreitenden Kommunikation und Kooperation, ganz besonders in der Arbeit mit Ehrenamtlichen? Nein.

Ich genieße die Vorzüge des Homeoffice und bin eineklare Befürworterin von Videokonferenzen als Alternative zu Pendeln oder Fernreisen für Meetings, jedoch sehe auch ich einen Bedarf für die Entwicklung neuer Konzepte zur digitalen Arbeit. 

Gerade in kulturellen und kreativen Teams erwarten wir doch mehr, als Aufgaben zuweisen und abhaken oder in Zoom Konferenzen uns selbst stummschalten, um den Anderen dabei zuzuhören, wie sie ausschweifend über ihre Strategien berichten. 

Was fehlt? 

Kaffeepause, Mittagspause, sich morgens zu begrüßen und gemeinsam über den vergangen Tatort zu beschweren  – soziale Nähe eben. Denn aus sozialer Verbindung entsteht das, was uns mit unserem Team vereint, uns mit unserem Unternehmen verbindet und – besonders wichtig für das Management von Ehrenamtlichen – was uns motiviert am Ball zu bleiben.  

Aber wie kann das im Digitalen gelingen? 

Mein Ansatz: Kommunikation ist Alles! Man kann nicht zu viel kommunizieren. Schon gar nicht, wenn man sich nicht sieht oder kennt und das Team wächst und wächst. 

Wenn die Kaffee-/Mittagspausen fehlen, wenn der gemeinsame Alltag ausbleibt und die einzige gemeinsame Zeit in Zoom-Konferenzen oder Slack-Nachrichten stattfindet, dann ist jede Nachricht, so unbedeutend sie auch im ersten Moment erscheinen mag, wichtig.  

Bei neuen Mitglieder mussten wir lernen, dass ohne eine intensive On-Boarding-Betreuung die meisten neuen Gesichter verloren gehen. Was kann ich mit wem und wann tun? Das sind die am häufigsten gestellten Fragen zu Beginn unserer On-Boarding-Perioden.

Unser Fazit

Nur weil es für das Team klar ist, ist es für neue Mitglieder noch lange nicht klar. Wo finde ich welche Information, wer ist Ansprechpartne und auf welcher Plattform, wann erreichbar…  All das muss im Digitalen nochmal deutlicher kommuniziert werden, denn schließlich haben wir keine Büros mit Namensschild und Zuständigkeit. 

Anstatt monatlicher Stammtische in wechselnden Bars, organisieren wir einmal im Monat einen virtuellen Apéro. Im Rahmen dieser Abende treffen wir uns digital, um einmal nicht über Projekte, Pläne oder Formalien zu sprechen. Sondern darüber, ob Harry Potter oder Herr der Ringe besser ist, ob wir lieber eine Reise in die Zukunft oder die Vergangenheit unternehmen würden oder wir spielen Pantomime. Alles digital, alles in Echtzeit, alles in ganz Europa verstreut. 

Diese Abende mögen nicht dabei helfen, die Projekte voran zu treiben, Fristen einzuhalten oder Marketingstrategien zum Erfolg zu führen; aber diese Treffen sind es, die aus Menschen ein Team formen. Egal, ob dieses Team eine Sprache spricht, an einem Ort wohnt, oder die gleichen kulturellen Werte teilt. 

Zukünftig werden wir zusätzlich zu unseren Apéros auch deutsch-französische Frühstücke organisieren,  um uns gegenseitig auch aus der frühmorgendlichen Perspektive kennenzulernen. 

Wir haben gelernt, dass es gelingen kann, in digitalen Räumen eine Nähe zu erzeugen, aus der ganz analoge Freundschaften entstehen können. Wir haben auch gelernt, dass ohne Nähe kein Team und schon gar keine Motivation für ehrenamtliches Engagement bestehen kann. 

Unsere Learnings

Unser ganz konkretes erstes Learning zur Organisation von digitalen und dezentralen Teams ist also: Analoge Kaffee-/Mittagspausen müssen auch im digitalen möglich sein. Es muss einen Rahmen geben, in dem das Team auch ohne Projektgedanken miteinander interagieren kann und sich kennenlernen kann. Ansonsten erzeugen die besten Projektmanagement-Tools, die beste Strategie und das beste Controlling nur leere Produkte, ohne Teampersönlichkeit. 

Das besonders Schöne an diesem individuellen Learning: wir haben daraus experimentelle Formate entwickelt, die sehr gut angenommen werden und die es uns ermöglichen, Kultur in einer unbefangenen und persönlichen Atmosphäre anzubieten. Beispiele dafür sind unser erfolgreicher, deutsch-französischer Online-Buchclub, oder unserer zukünftiger, digitaler Kochclub. 


Welche informellen Formate nutzt ihr zum Teambuilding? Twittert sie uns an @KulturData

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