Besucher-Segmentierung nach Abenteuerlust

Es gibt viele verschiedene Charakteristika, an denen sich eine Segementierung der Besucher vornehmen lässt. Die bekanntesten sind wohl das Alter und das Geschlecht. In diesem Beitrag wird eine Technik vorgestellt, die die University Musical Society der University of Michigan anwendet: Segmentierung nach »Abenteuerlust«.

Adventurousness of Customers

Dabei werden zwei Parts nach ihrer Abenteuerlust/ Neugier eingeteilt und mit einer Kennzahl versehen:

  • Das Programm
  • Die Besucher

Das Programm wird anhand von 9 Kriterien (Bsp. Thema, Format etc.) eingeteilt und anschließend auf einer Skala von X-Y (Bsp.: 1-5) je Kriterium charakterisiert. Die Summe wird nun in Relation zur höchstmöglichen Punktzahl (100% für Abenteuerlustige) gesetzt, um den Grad der Abenteuerlust zu erhalten.

An dieser Stelle geht diese Methode noch einen Schritt weiter als das Repertoire Scoring. Nachdem jedes Programm eine Punktzahl hat, wird geschaut, welche Besucher welches Programm angeschaut haben (über die historischen Daten im Ticketing). Besucher, die häufig Programme mit hoher Punktzahl (hohe Abenteuerlust) ausgewählt haben, werden nun in das Segment der Abenteuerlustigen eingestuft. So lässt sich herausfinden, wie hoch der Anteil der Abenteuerlustigen an den Gesamtbesuchern ist. Die University of Musical Society segmentiert in 3 Gruppen (»Adventurous Souls who mostly attend challenging works; Adventure Averse who go to things like Handel’s Messiah; and Adventure Curious who are somewhere in between.«(Baker Richards). Diese Abstufungen können jedoch weiter verfeinert werden, genauso wie die Anzahl der Kriterien.

Erkenntnisse

Dies zeigt im Großen, ob man (von der Nachfrage her gedacht) Seltenes, Obskures, Forderndes und Neues auf den Spielplan setzten sollte, oder ob das Publikum der Institution eher sehen möchte, was es erwartet. Mit einer einheitlichen Skalierung und Einstufung wäre sogar ein regionaler Vergleich möglich.

Diese Methode kann jedoch auch dafür verwendet werden, die Marketingaktivitäten effizient an abenteuerlustige Besucher zu richten. Mithilfe einer (nicht anonymen) Umfrage, lässt sich außerdem abfragen, ob die Eigensicht der Besucher mit deren Kaufverhalten übereinstimmt. Schätzt sich ein Besucher beispielsweise als abenteuerlustig ein, kauft jedoch nur Tickets für Programme mit einer geringen Punktzahl, ist es möglich dies bewusst aufgreifen, um ihn langsam an »anspruchsvollere« Programme heranzuführen. Es hilft, sich diese Methode in der Reisebranche vorzustellen, in der zwischen All-Inklusive Urlaubern und Backpackern unterschieden wird – und die Kommunikation entsprechend angepasst wird.

Anmerkungen

Diese Methode steht und fällt mit der korrekten Einstufung von Programmen/Stücken. Dabei ist dies jedoch gerade die Schwierigkeit: Welche Kriterien lassen sich anlegen, um Werke bezüglich ihrer Abenteuerlust zu bewerten? Ein Stück, welchen vor ein paar Jahren noch eher ein Geheimtipp war, kann heute schon im Mainstream angekommen sein. Daraus würde eine neue Einschätzung des Stückes führen – was die historischen Daten verfälscht.

Dennoch kann diese Methode ein interessantes Hilfsmittel sein, um die Besucher-Segmentierung anhand aussagekräftigerer Charakteristika auszurichten als Alter und Geschlecht. In Kombination mit mit der Methode des Repertoire Scorings erhält man so weitere Datenpunkte, an denen sich das künstlerische Programm messen lässt und so tiefergehende Fragen zu beantworten, wie: Welche Aspekte führen bei Abenteuerlustigen zu einer Kaufentscheidung: hochkarätige Sänger oder Komponisten oder Preise oder X?

In einem späteren Beitrag werde ich darstellen, wie die Los Angeles Philharmonic und das London Symphony Orchestra mittels Segmentierung und Predictive Analytics ihre Auslastung optimieren. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten empfehle ich Ihnen das KulturData+ Abonemment; damit verpassen Sie diese Beiträge nicht und bekommen ausgewählte externe Artikel zu diesem Thema zugesendet.


Quelle: Richard Bakers: Knowing the Score, Juni 2017