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digitales Ausstellungsmanagement

Digitale Transformation im Ausstellungsmanagement

Neue Arbeitsformen (New Work), wie agiles Arbeiten, Design Thinking, Scrum und die Zusammenarbeit mit externen Partnern in digitalen Ökosystemen, gehören v.a. in der IT-Branche längst zum Alltag. Projektmanagement-Programme und digitale Dienste optimieren die Arbeitsprozesse und können auch im Kulturbereich angewendet werden.

Insbesondere das Ausstellungsmanagement bietet einen guten Ansatzpunkt, um interne Arbeitsprozesse zu digitalisieren und miteinander zu vernetzen.

Angestrebt wird ein Transfer der realen Prozessebene des Ausstellungsmanagements auf eine virtuelle Datenebene, welche die einzelnen Prozesse vernetzt und strukturiert. Voraussetzung hierfür sollte immer die individuelle Orientierung an gewachsenen Arbeitsstrukturen und -abläufen sein, um mit der neuen Anwendung im Idealfall eine kontinuierliche Weiterentwicklung bekannter Arbeitsprozesse zu erzielen.

Dabei sollten alle relevanten Informationen für die Anwender zugänglich gemacht werden, um die Organisation interner Arbeitsprozesse zu vereinfachen.
Ausgehend von den fünf Phasen des Ausstellungsmanagements (Abb. 1) sollen im Folgenden mögliche Anknüpfungspunkte für die Transformation der internen Arbeitsprozesse aufgezeigt werden, die beispielhaft anhand der cloudbasierten, agilen Projektmanagement-Software Wrike miteinander vernetzt werden. Es existiert aber noch eine Vielzahl weiterer Projektmanagement-Software-Angebote, die als Alternativen infrage kämen (z.B. Asana, GitLab).

Abb. 1: Beispielhafter Projektstrukturplan eines Ausstellungsprojektes (Quelle: nach Hissnauer, D. 2021, 60, Abb. 13)

Vorprojekt- und Planungsphase

Am Ende der Vorprojektphase einer Ausstellung wird ein schriftliches Vorkonzept mit vorläufiger Zeit-, Kosten- und Finanzierungsplanung sowie zentralen Meilensteinen beim Projektauftraggeber eingereicht.

Alle Meilensteine, Teilprojekte und Aufgabenpakete können in der Software Wrike angelegt und mit einem Anfangs- und Fälligkeitsdatum versehen werden. Die einzelnen Teilprojekte und Arbeitspakete lassen sich zunächst mittels einer Grobplanung, im Laufe der Planungsphase immer konkreter, übersichtlich in Form von Listen, Tabellen oder mit Hilfe eines Gantt-Diagramms anzeigen (Abb. 2).

Abb. 2: Gantt-Diagramm Vorprojektphase (Quelle: Projektmanagement-Software Wrike; eigene Darstellung)

Bereits von Beginn an ist es möglich, das Projekt oder einzelne Arbeitspakete mit weiteren Teammitgliedern (intern oder extern) zu teilen und gemeinsam zu bearbeiten.

Vorlagen zur Erstellung von Zeit-, Kosten- und Finanzierungsplänen sowie Leihanfragen und Facility Report werden in einem Unterordner zugänglich gemacht. So nutzen alle Projektmitarbeiter und -mitarbeiterinnen diesselben Vorlagen, die sie ohne Suchen schnell erreichen können.

In jeweiligen Einzelaufgaben sind die individuellen Projektdateien, die in einem Cloudspeicher (Google Drive, OneDrive, SharePoint etc.) platziert werden, für alle berechtigten Teammitglieder zur Bearbeitung freigegeben und können kollobarativ bearbeitet werden.

Die Software unterstützt dabei einen dynamischen Austauschprozess. Mittels einer Nachrichtenfunktion können die Teammitglieder schnell und unkompliziert miteinander kommunizieren.

Realisierungsphase

Im Verlauf der Planungs- und Realisierungsphase lassen sich einzelne Arbeitspakete problemlos immer weiter konkretisieren. Teilaufgaben können in Form von ToDo-Listen hinzugefügt und ebenfalls mit Arbeitszeiträumen und Abhängigkeiten versehen werden (Abb. 3).

Alle dem Projekt oder der Aufgabe zugewiesenen Mitarbeitenden bleiben dabei immer auf dem aktuellsten Stand, ohne dass bei jeder Änderung großformatige Projektpläne erneut gedruckt oder lange E-Mail-Korrespondenzen geführt werden müssen. Dies erspart nicht nur Zeit, sondern bringt das Museum auch dem Modell eines „papierlosen Büros“ einen entscheidenden Schritt näher.

Abb. 3: Gantt-Diagramm Realisierungsphase mit konkretisierter Teilaufgabe mit Abhängigkeiten (Quelle: Projektmanagement-Software Wrike; eigene Darstellung)

Dabei können jedem Projekt, jeder Aufgabe bis hin zu jeder Teilaufgabe individuelle Bearbeiter zugewiesen werden, sodass die zugehörigen Informationen nur den berechtigten Nutzern zugänglich sind. Freigaben von einzelnen Aufgaben (z. B. Ausstellungskonzept, Leihanfragen), können mittels eines virtuellen Freigabeprozesses erfolgen und somit den Ablauf der internen Arbeitsprozesse beschleunigen (Abb. 4).

Abb. 4: Freigabeprozess (Quelle: Projektmanagement-Software Wrike; eigene Darstellung)

Der mit einer Aufgabe verbundene Arbeitsaufwand kann innerhalb der Anwendung mittels eines integrierten Zeiterfassungstools direkt erfasst oder manuell nachgetragen werden. Die Erfassung der wöchentlichen Arbeitszeit kann in Listenform angezeigt werden (Abb. 5).

Diese Funktion ist besonders für Abteilungen interessant, die neben ihrem eigentlichen Tagesgeschäft an mehreren Projekten zeitgleich beteiligt sind (z. B. Marketing, Museumspädagogik). Weiterhin erlaubt die Zeiterfassung bei Folgeprojekten die Zeitplanung anhand von Erfahrungswerten noch konkreter einzuschätzen.

Abb. 5: Zeiterfassung in wöchentlicher Arbeitszeitliste (Quelle: Projektmanagement-Software Wrike; eigene Darstellung)

Folge- und Abschlussphase

Die individuelle Arbeitsorganisation erfolgt über ein persönliches Dashboard und innerhalb der Projektansichten, in welchen die Aufgaben übersichtlich in Form eines Kanban-Boards angezeigt werden.

Mit diesem agilen Projektmanagement-Tool, welches sich den individuellen Bedürfnissen anpassen lässt, gewinnt der Projektbeteiligte schnell einen Überblick über alle aktuellen, anstehenden und überfälligen Aufgaben (Abb. 6). Und kann archivierte, erledigte Aufgaben in die abschließende Dokumentation einfließen lassen.

Abb. 6: Kanban-Board Folgephase (Quelle: Projektmanagement-Software Wrike; eigene Darstellung)

Nach Abschluss des Projektes durch Abgabe des Abschlussberichtes kann das Projekt archiviert werden. Es bietet sich an den Projektstrukturplan als Arbeitsvorlage zu speichern, so dass nur Teilprojekte und Arbeitspakete für ein neues Ausstellungsprojekt individuell angepasst werden müssen. 

Chancen und Risiken

Mit den neuen Wachstums- und Fortschrittsperspektiven durch digitale Anwendungen verbinden sich weitreichende optimistische Zukunftserwartungen, aber auch ausgeprägte Skepsis und Ängsten im Hinblick auf die Realisierbarkeit der ökonomischen Erwartungen sowie die bevorstehenden Veränderungen.

So sehen einige Teilnehmende einer Umfrage zum Digitalisierungsstand in den Museen ein Risiko darin, dass die Einarbeitung und das Arbeiten mit einer komplexen Anwendung zeitintensiver sind, als das bewährte Arbeiten mit bestehenden Arbeitsmethoden.

Zudem nennen sie die Gefahr, dass weniger technikaffine Mitarbeitende mit neuen Anwendungen überfordert sind („Nicht noch ein Programm…“), die soziale Komponente der Kommunikation verloren geht, durch die ständige Erreichbarkeit die Arbeitsbelastung zunimmt, Unbefugte Zugriff auf interne Daten erhalten („zu viel Transparenz“) und ohne die Verfügbarkeit von Internet und Strom kein Arbeiten mehr möglich ist. 

Abb. 7: Empfundene Risiken der digitalen Transformation interner Arbeitsprozesse (Quelle: Umfrage „Digitale Transformation“; eigene Darstellung)

Diesen Ängsten und Befürchtungen sollten mittels einem gut strukturierten Risiko- und Changemanagement entgegengetreten werden.

Risikomanagement

Die Datensicherheit stellt einen zentralen Aspekt in der Diskussion um die Einführung digitaler Tools im internen Arbeitsbereich dar. Gerade die Arbeit im Homeoffice ist im Hinblick auf den verantwortungsvollen Umgang mit Daten eine große Herausforderung. Angst vor unkontrollierbaren Datenmissbrauch oder Datenverlust führt zu Skepsis und Misstrauen gegenüber digitalen Anwendungen und erfordern Klärung.

Des Weiteren wird die Nutzung digitaler Anwendungen von Mitarbeitenden der Museen zunehmend skeptisch im Hinblick auf Leistungskontrolle betrachtet. Diese zunehmende Kontrolle bzw. das Bewusstsein der ständigen „Überwachung“ der eigenen Tätigkeit kann bei einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein erhöhtes Stresspotential bedingen und wirkt sich negativ auf die Akzeptanz des digitalen Transformationsprozesses aus.

Die zeit- und ortsungebundene Arbeitsweise bietet zudem zwar ein hohes Maß an Flexibilität, durch diese steigt allerdings auch die Gefahr, dass sich durch die ständige Erreichbarkeit und Möglichkeit zur Arbeit das Stresslevel zusätzlich erhöht. Das „Abschalten von der Arbeit“ fällt den Betroffenen deutlich schwerer.

Die Mehrzahl der Museen sind als öffentliche Einrichtungen u. a. an die rechtlichen Vorgaben des Arbeitszeitgesetz (ArbZG) gebunden. Allerdings spiegeln diese kaum noch die alltägliche Arbeitsrealität wider. Eine Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen zur Schaffung von Rechtssicherheit in der zunehmend mobileren und flexibleren Arbeitswelt ist daher unerlässlich.

Die erwartete Flexibilität und eine erleichterte Zugänglichkeit internen Unternehmenswissens von außen könnten zudem dazu beitragen, dass sich der in Museen seit einigen Jahrzehnten anhaltende Trend zur befristeten Beschäftigung noch verschärft.

Changemanagement

Grundlegend für die erfolgreiche und nachhaltige Einführung neuer digitaler Anwendungen und den damit verbundenen Änderungen der Arbeitsorganisation ist die Akzeptanz durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie von Seiten des Managements der Kultureinrichtung. Der Einführungsprozess sollte daher strategisch und aktiv unter Berücksichtigung der Erwartungen und Befürchtungen der zukünftigen Anwender gestaltet werden. 

K. D. Schlicher beschreibt vier Phasen des Changemanagements zur erfolgreichen Einführung vernetzter Digitalisierungsprojekte (Abb. 8).

Abb. 8: Phasen des Changemanagements in Digitalisierungsprojekten (Quelle: nach Schlicher u.a. 2020, 357-368, Abb. 1; eigene Darstellung

Es empfiehlt sich demnach ein Stimmungsbild der Museumsmitarbeitenden einzuholen und Ängste sowie Erwartungen zu analysieren, um diesen gezielt begegnen zu können.

In einer ersten Phase sollten Changemaker und Entscheidungsträger der verschiedenen, beteiligten Fachabteilungen identifiziert werden. Im Rahmen eines fachübergreifenden Workshops könnte zu Beginn der Umsetzungsphase mit diesem Personenkreis Struktur und Inhalte der Anwendung besprochen und nutzerorientiert entwickelt werden.

Dies wirkt nicht nur motivierend und identitätsstiftend, sondern liefert wertvollen Input, der die Anpassung des digitalen Tools an die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Museums ermöglicht.

Die Einführung der Anwendung sollte durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen (Informationsveranstaltungen wie Workshops oder Webinare, Handreichungen etc.) begleitet werden, um eine langfristige Integration in die individuelle Arbeitsorganisation der Mitarbeitenden zu erreichen.

Eine mögliche bzw. befürchtete Nutzung der Anwendung zur Leistungskontrolle sollte transparent besprochen werden. Abschließend steht die Erfolgskontrolle, ob die digitale Transformation des Ausstellungsmanagementprozesses gelungen ist und der Zugewinn von gesammelten Erfahrungswerten, wie künftige Einführungsprozesse erfolgreich gestaltet werden können.

Ausblick

Die für eine Vielzahl von Branchen prognostizierten immensen ökonomischen Gewinne sind im Kulturbereich bei erfolgreicher Digitalisierung in der Regel nicht zu erwarten. Digitale Assistenzanwendungen können aber auch im Kulturbereich zur Erleichterung der Arbeitsprozesse beitragen und einen reibungsloseren Arbeitsablauf ermöglichen. Kommunikations- und Abstimmungsprozesse können optimiert werden.

Zudem schafft der Einsatz einer kollaborativen Anwendung Transparenz und unterstützt die Selbstorganisation des individuellen Mitarbeitenden.

Ob die neuen Technologien zusätzliche Arbeitsplätze schaffen oder vielmehr ein Wandel der bisherigen Stellen einsetzt, bleibt abzuwarten. So lässt sich zumindest für die großen Museen in den letzten Jahren die Einrichtung neuer Digital-Abteilungen verzeichnen. 

Die digitale Transformation sollte sich nicht nur auf einzelne Arbeitsfelder und Projekte beschränken, sondern die Gesamtorganisation der musealen Einrichtung durchdringen. Ausgehend von einem Pilotprojekt können die Erfahrungswerte genutzt werden, um schrittweise alle Kernaktivitäten des Museums digital zu transformieren und miteinander zu vernetzen sowie anderen Museen und Kultureinrichtungen als Vorbild zu dienen.


Gastbeitrag von Romy Heyner.

Sie war mehrere Jahre in den Landesmuseen Baden-Württembergs tätig und promoviert derzeit im Fach Archäologie der Römischen Provinzen an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.


Literaturempfehlungen

Alder, B./ den Brok, B. (Hrsg.), Die perfekte Ausstellung. ein Praxisleitfaden zum Projektmanagement von Ausstellungen, Bielefeld 2012.

Aumann, Ph./Duerr, F., Ausstellungen machen, München 2013.

Hirsch-Kreinsen, H., Digitale Transformation von Arbeit. Entwicklungstrends und Gestaltungsansätze, Stuttgart 2020.

Hissnauer, D., Museums- und Ausstellungsmanagement. Studienbrief DAM Modul 4511, Berlin 2021.

Maier, G. W./Engels, G./Steffen, E. (Hrsg.), Handbuch Gestaltung digitaler und vernetzter Arbeitswelten, Berlin 2020.

Schlicher, K. D./Paruzel, A./Steinmann, B./Maier, G. W., Change Management für die Einführung digitaler Arbeitswelten, in: Maier/Engels/Steffen 2020, 347-382.

Sieber, E. S./Wensauer-Sieber, D./Löffler, N., Strategieentwicklung für Kulturbetriebe. Studienbrief DAM Modul 4146, Berlin 2021.

Wallmüller, E., Praxiswissen Digitale Transformation. Den Wandel verstehen, Lösungen entwickeln, Wertschöpfung steigern, München 2017.

Werther, S./Bruckner, L. (Hrsg.), Arbeit 4.0 aktiv gestalten. Die Zukunft der Arbeit zwischen Agilität, People Analytics und Digitalisierung, Berlin 2018.

Weblinks

Interessante Einblicke in die Thematik „Digitalisierungsstand“ und „Digitalisierungsindex“ ermöglicht eine Erhebung des Kompetenzzentrum für Digitalisierung Wien zur Digitalisierung von NPOs. (NPODigitalisierungStudie2020.pdf (wu.ac.at); letzter Aufruf: 16.12.2021).

MFG Innovationsagentur Medien- und Kreativwirtschaft Baden-Württemberg (Hrsg.), OPEN UP! Museum. Wie sich Museen den neuen digitalen Herausforderungen stellen. Ein Leitfaden aus Baden-Württemberg, Stuttgart 2016. (180731-OpenUp-Museum-Leitfaden.pdf (mfg.de); letzter Aufruf: 8.12.2021)

Der Beitrag entstand im Rahmen einer Weiterbildung an der Deutschen Akademie für Management

Photo by Marvin Meyer on Unsplash