Du möchtest eine Stelle für Online Marketing besetzen und suchst nach guten Fragen, die dir zeigen, ob der Kandidat bzw. die Kandidatin kompetent ist? Ich gebe dir drei Fragen und mögliche Antworten an die Hand, damit du den oder die Richtige*n einstellen kannst.
3 gute Fragen und Antworten für das Bewerbungsgespräch
Ein Bewerbungsgespräch ist nicht nur für den Kandidaten oder die Kandidatin eine knifflige Situation. Wenn man sich entscheidet eine Stelle zu besetzen, sucht man jemanden, der genau das kann, was man selbst nicht gut kann. Man sucht jemanden, der einem sagt, wie man in diesem Bereich vorgehen sollte.
Doch vor allem im Bereich „Marketing“ gibt es eher zu viele Bewerbungen im Vergleich zu Berufen wie etwa „Hirnchirugie“.
Da man leider erst nach ein paar Monaten wissen kann, ob die Besetzung der Stelle ein Erfolg war, angelt man sich an Hilfskriterien nach vorne, wie Berufserfahrung und Ausbildung.
Im Online Marketing hilft Erfahrung aber nur, wenn man eine historisch informierte Vorgehensweise schätzt. Wenn der Kandidat zum Beispiel eine StudiVZ Strategie erstellen soll, um den Tamagotschi-Verkauf anzukurbeln.
Eine Ausbildung hilft auch nur bedingt, da die wenigsten Online Marketing als Leistungsfach in der Schule hatten, oder studiert haben. Jeder lesefähige 15-Jährige kann sich in einer Online-Weiterbildung ein Zertifikat abholen. Clevere 15-Jährige photoshoppen es sich einfach selbst. Wie soll man also einen soliden Bewerber oder Bewerberin erkennen?
Frag‘ einfach folgende drei Fragen.
Von welchen Traffic-Kanälen würden Sie uns abraten?
Ziele der Frage:
- Welche Traffic-Kanäle (Google SEO, Google Ads, Facebook & Instagram Ads, E-Mail etc.) kennt der Kandidat?
- Kann er priorisieren?
- Hat er sich deine Organisation vorher angeschaut?
- Hat er Erfahrungen mit der Branche?
Klassischerweise würde man eher nach Empfehlungen fragen, aber da man als Online Marketing Manager ständig Trends an der Backe hat, die man auf Relevanz abklopfen muss, ist die Frage, was er denn eher nicht machen würde viel spannender. Vorbereitet hat er sich vermutlich eher auf Best Practices und Ideen, die er umsetzen würde. Tja, wer sich vorbereitet, schummelt!
Die Frage wird ihn also überraschen, aber nicht aus der Bahn werfen. Falls er gute Ideen mitgebracht hat, wird er sie einbringen können.
Antwortmöglichkeit:
Ich würde Ihnen am Anfang von Google Ads abraten, da ich gesehen habe, dass Sie noch ein großes Potenzial in der Suchmaschinenoptimierung haben. Bevor Sie versuchen, kostenpflichtig in die ersten Rankings zu gelangen, sollten Sie die Landing Page optimieren, sonst kaufen Sie teure Klicks ein, die nicht zu Kunden konvertieren.
Kandidat*In
Welches soziale Netzwerk nutzen Sie nicht, sehen darin aber großes Potenzial?
Ziele der Frage:
- In welchen Networks ist der Kandidat aktiv?
- Informiert er sich auch zu Themen, die ihn privat nicht interessieren?
- Kann er strategisch denken?
- Wie definiert er Potenzial?
Der Irrglaube, dass jüngere Menschen per se eine Social Media Kompetenz haben, weil sie das Netzwerk privat nutzen, hält sich leider wacker. Wer täglich Wein trinkt, ist demnach auch ein erfahrener Winzer.
Andererseits sollte man sein Wissen über TikTok nicht nur aus dem Feuilleton der FAZ haben. Man braucht ein Gespür für die Plattform. Zumindest behaupte ich das, um mein stundenlanges Daddeln als Weiterbildung zu verbuchen.
Potenzial ist ein so schwammiger Begriff, dass es die Aufgabe des Kandidaten ist, ihn zu konkretisieren. Sieht er darin vor allem Möglichkeiten, Likes zu bekommen? Was hat er mit der Interaktion und Reichweite vor?
Antwortmöglichkeit:
Ich bin privat nicht auf TikTok aktiv und kenne auch keinen in meinem Freundeskreis, der dort angemeldet ist. Dennoch habe ich mir dort mal einen (inaktiven) Account erstellt, da ich gelesen habe, dass die organische Reichweite dort wirklich noch hoch ist. Wie bei Facebook 2012. Die dort aktive Zielgruppe ist sehr jung und assoziiert noch wenig zu unserer Marke. Das ließe sich nutzen, um progressiv etwas Neues aufzubauen.
Kandidat*In
Warum gibt es Organisationen, die mehr für einen Kunden ausgeben, als dass dieser ihnen beim Kauf einbringt?
Ziele der Frage:
- Kennt er sich mit Attribution und Auswertungen – und deren Grenzen aus?
- Kennt er Konzepte wie Customer Acquisition Cost und Customer Lifetime Value?
- Ist ihm die Idee hinter Customer Relationship Marketing bekannt?
Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Daher zeigt sich, welche Lösung dem Kandidaten spontan als erstes in den Sinn kommt und ihm daher vielleicht bereits begegnet ist.
Er könnte an Branding Kampagnen denken, die kurzfristig keinen Umsatz anstoßen, sondern langfristige Umsatzsteigerung als Ziel haben und daher unmittelbar in der Auswertung schlecht aussehen.
Er könnte an gemeinnützige Unternehmen denken, die ein meritorisches Gut anbieten und daher den Verlust der Unternehmung über Förderungen ausgleichen.
Er könnte an Abo-Geschäftsmodelle denken, die im Erstkauf einen sehr geringen Umsatz erwirtschaften, aber bei einer längeren Betrachtungsweise über Monate hinweg Umsatz bringen, der nicht erneut teuer durch Marketing aktiviert werden muss. So sind nach ein paar Monaten die anfänglich zu hohen Marketingkosten durch einen stetigen Umsatz wieder drin.
Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Zum einen gibt es einfach grottig wirtschaftende Unternehmen. Was Sie aber sicher ansprechen ist die Tatsache, dass über günstiges CRM ein Zweit- und Drittkauf angestoßen werden kann. Wenn die Organisation 100€ ausgeben musste, um einen Erstkauf im Wert von 50€ anzustoßen, sieht es auf dem Papier schlecht aus. Aber der gleiche Kunde erhält nun jährlich eine günstige E-Mail und kauft daraufhin erneut für 50€ ein. Ab der zweiten E-Mail ist der Break-Even erreicht und der anfänglich „zu teure“ Kunde ist doch rentabel.
Kandidat*In
Empfehlungen und Tipps
Wenn du als Interviewer*In selbst wenig Ahnung von Online Marketing hast, ist das zwar nicht ideal, aber die Antworten der Kandidat*Innen sollten kohärent sein, sodass du dich von dessen Korrektheit mit Logic und einem Grundwissen selbst überzeugen kannst.
Vergiss nicht, dass mein persönlicher Werdegang einen Einfluss auf diese Fragen genommen hat. Ein*e Kollege*In wird vielleicht ganz andere Fragen heraussuchen.
Ein Kandidat, der diese drei Fragen nicht mindestens ok beantwortet, sollte nur dann von dir eingestellt werden, wenn du der Organisation unbedingt schaden möchtest.
Im Online Marketing kann man nämlich herrlich leicht Geld verbrennen, indem man die Webanalyse nicht versteht oder eine Digitalagentur engagiert, die Erfolgskennziffern präsentiert, weil sie gut sind. (Daher auch „Erfolgs“kennziffern).
Oder man stellt jemanden ein, der nicht bemerkt, dass er eigentlich für die Tools arbeitet, statt mit den Tools zu arbeiten. Ein sogenannter „Like-Hunter“, der zwar keinen Einfluss auf geschäftsrelevante Bereiche nimmt, aber durch seine Beiträge die durchschnittliche Nutzungsdauer von Facebook nach oben pusht. Diese geben Facebook auch gerne mal ein Budget, um noch mehr Likes zu bekommen! Schau mal, wir gehen viral! *Love*