Close

Kultur & KI: Zwischen Malen-nach-Zahlen & eigener Viehzucht für Pinselhaare

Eine Frage, die sich zwar nicht auf künstliche Intelligenz und Kunst/Musik/Kultur beschränkt, aber mir in diesem Gebiet besonders präsent erscheint:

Wo beginnt das Werk?

Nehmen wir das Beispiel der Bildverarbeitung mit Hilfe von künstlichen neuronalen Netzwerken. Wenn diese Netzwerke viele Layer haben, spricht man von Deep Learning oder »künstlicher Intelligenz«. Sie lernen Strukturen in Bildern / Wörter / Musik und können diese in einem neuen Kontext simulieren.

Die »persönlich, geistige« Schöpfung (in Anlehnung an das Urheberrecht) beschränkt sich in diesen Projekten auf drei Phasen:

  1. Auswahl der Datenbasis (Bilder / Tonaufnahmen / Texte)
  2. Programmierung des neuronalen Netzwerkes
  3. Auswahl der Ergebnisse

All diese Punkte werden relevant von Menschen (also persönlich) beeinflusst. Die künstlerische Komplexität liegt in allen Phasen, da jede Einfluss auf das Ergebnis nimmt. Die technische Komplexität liegt größtenteils in der zweiten Phase: der Vorbereitung der Daten, der Umwandlung der Daten, der Auswahl von Algorithmen und eines Erfolgsmaßes, des Trainings des Netzes und des Generieren von neuem Content.

Als Künstler*In bieten sich drei Möglichkeiten an, diese zweite, technische Phase zu bewältigen:

  1. Software, wie Artbreeder oder ML Runway, welche die technische Programmierleistung mit einer Drag-And-Drop-Lösung umsetzen
  2. Fertige Skripte in einer Programmiersprache, wie BigGAN TF Hub Demo
  3. Eigene Skripte
    1. Mit oder ohne fremden Modulen/Libraries
    2. Mit oder ohne Frameworks wie Tensorflow

In die analoge Kunstwelt ließe sich diese Liste möglicherweise so übertragen:

  1. Malen-Nach-Zahlen
  2. Malen mit fertigen Pinsel und Farben
  3. Malen mit Pinseln, deren Haare von Tieren aus der eigenen Viehzucht bestehen

Ab wann sprechen wir von einer persönlich geistigen Schöpfung? Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden, sie muss ständig diskutiert werden. Und das wird sie auch. Im Fall des ersten »KI Kunstwerkes«, das bei Christie’s versteigert wurde, namens »Edmond de Belamy«, stellte sich genau diese Frage:

Das französische Trio Obvious nutzte für die Erstellung des Kunstwerkes große Teile des (Open Source) Codes des damals 19-Jährigen Künstlers Robbie Barrat. Dieses Werk wurde also mit Tools der Stufe 2 umgesetzt. Dafür stand das Trio auch in der öffentlichen Kritik – vor allem aus der KI & Kunst Szene.

Aber muss es wirklich so viel von der »Marke Eigenbau« sein? Selbst Robbie Barrat baute auf bestehenden geistigen Werken auf: Das neuronale Netz (ein Generative Adversarial Network), mit dem er seine Gemälde erzeugte, wurde nicht von ihm erfunden, sondern 2004 nach einem Kneipenbesuch von Ian Goodfellow.

Wie viel muss »from scratch« erschaffen werden?

Ich persönlich denke es kommt auf den Grad an, zu dem das Werk etwas neues darstellt – und zu dem man das Werk nachbauen kann. Wenn jemand mit den einfachsten Methoden etwas neues kreiere, finde ich das beeindruckend. Aber nur, solange das Werk, oder die Platzierung in einem bestimmten Kontext, nicht bereits realisiert wurde. Aber, wenn ich nur ein paar Variablen verändern muss, um ein sehr ähnliches Bild selbst zu erstellen, würde mich das Werk wiederum nicht unbedingt beeindrucken.

1 thought on “Kultur & KI: Zwischen Malen-nach-Zahlen & eigener Viehzucht für Pinselhaare

Comments are closed.