Tipps für klassische Musiker*innen auf Instagram

In diesem Beitrag werden klassische Musiker*innen vorgestellt, die auf Instagram erfolgreich1Da die wenigsten Musiker*innen ein digitales Geschäftsmodell haben, wird „erfolgreich“ in diesem Beitrag über die Interaktion, statt über die Conversionsrate definiert. Ein Beispiel: Wenn ein Musiker*in eine Reichweite von 10.000 Interaktionen (Likes/Kommentare) pro Post hat, aber nur drei davon über einen Link ein Konzertticket kaufen, ist er weniger erfolgreich, als ein Musiker*in, der 500 Likes pro Post hat, jedoch 10% davon ein Ticket kaufen. Da die relevantere Conversionsrate jedoch nicht von außen analysiert werden kann, muss Erfolg über das Hilfskriterium „Interaktion“ definiert werden. Da viele Musiker*innen ihr Marketing als reines Branding aufbauen, ist dieses Hilfskriterium für diesen Zweck auch geeignet. sind, damit du dich als Musiker*in daran orientieren kannst. In diesem Beispiel geht es um Content-Strategien – nicht um Instagram Werbeanzeigen. Also darum WAS du posten kannst und nicht darum, welche Werbemedien/-strategien du mit bezahlten Anzeigen umsetzten solltest. Los geht’s.

Sarah Willis

Auf Instagram als @hornsarahberlin unterwegs, verfolgt sie ein sehr einfaches Konzept: Jedes ihrer Bilder zeigt nur ihr Instrument – ohne Sarah Willis. Als weibliche Hornistin bei den Berliner Philharmonikern ist sie bereits bekannt und zeigt, dass man auch als Orchestermitglied eine Solo-Brand aufbauen kann. Ihre Beiträge wuchsen stetig von etwa 200 Likes auf etwa 2.5 tausend Likes pro Beitrag. Großer Vorteil dieses Konzeptes: Sie muss die Bilder nicht selbst machen, sondern braucht theoretisch nur ein Hand-Double. Außerdem bildet sie die einfache Konnotation: Sarah Willis -> Horn. Wer also an eine Hornistin denkt, denkt an Sarah Willis.

Was kannst du davon nutzen?

An diesem Beispiel zeigt sich stellvertretend, dass es eine klare, einfache Botschaft geben sollte: Horn -> Sarah Willis, genau wie: Geige -> David Garrett (Hat den mal jemand ohne Geige gesichtet?). Etwas Besonderes wird es jedoch erst, wenn es eine ungewöhnliche Kombination darstellt. Da das Horn, wie viele Blechblasinstrumente, traditionell eher von Männern gespielt wird, nutzt Sarah Willis diese Besonderheit als Ihren Vorteil.

Avi Avital

An diesem Mandolinisten wird deutlich, dass selbst ein Vertrag mit dem berühmten Label „Deutsche Grammophon“ kein sicherer Garant für Erfolg auf Instagram ist. Dabei hatte Avital anfangs eine gute Idee: Er ließ Stücke komponieren, die speziell für die frühere Videogrenze von 15sek konzipiert wurden. Diese Stücke spielte er mit einem Ensemble und professionellem Videoteam ein. Vor den Videos waren es ca. 200 likes pro Beitrag. Die Videos wurden etwa 1000 mal aufgerufen, bekam aber nur etwa 200 likes. Nach dieser Aktion ging er wieder zu einer Marketing-Strategie, welche ich gerne als „Ich, Ich, Ich“ -Strategie bezeichne: Bilder von ihm und was er so macht.

Was kannst du davon nutzen?

Binsenweisheit, die aber fast keiner beachtet: Es lohnt sich, Content speziell für Instagram zu erstellen – meistens. Nur, weil du speziellen Content erstellst, heißt das jedoch noch nicht, dass es ein Erfolg wird. Häufiges Problem: Du erstellt Content, der DICH interessiert. Er sollte jedoch andere Menschen begeistern. Zweites: Keiner interessiert sich für dein Essen, dein Gesicht, deine Konzertorte oder Urlaube. Diese Erkenntnis ist auch aufheiternd, denn: Du bist ja Musiker*in. Wie würdest du es finden, wenn die Leute bereits dein Mittagessen liken? Hast du etwa dafür als 4-jähriger 8h am Tag Geige geübt?

Charles Yang und Ray Chen (und Lola Astanova)

Die beiden Violinisten verfolgen eine ähnliche Instagram-Strategie und werden daher zusammengepackt: Humor. Ray Chen, der ein rein klassischer Violinist ist, bricht das Klischee des ernsten, schüchternen, omniübenden asiatischen Wunderkind, das viele fälschlicherweise im Kopf haben. Charles Yang tritt auch klassisch auf, ist jedoch auch als Crossover-Künstler des Kollektiv „cadenza“ bekannt:

Was allen YouTube Videos gemein ist und sich auch auf Instagram übertragen lässt: hoher Aufwand in der Produktion. Keines der Videos wurde „einfach kurz nebenher“ aufgenommen oder war ein „Abfallprodukt“ eines sowieso stattfindenden Konzertes. Außerdem sind es Konzepte, die im Medium (hier YouTube) funktionieren, und mit neuem Inhalt (klassischer Musik) gefüllt werden. Bsp: „History of PLATZHALTER“ ist ein Konzept und ein Videotitel, der häufig vorkommt und gerne gesehen wird.

Lola Astanova

Ein schönes Beispiel für diese „Übernahme“ ist die Pianistin Lola Astanova, deren Instagram Postings sehr an die von Models erinnern. Das Klischee des „Selfie-postenden Models“ wurde bei ihr nun in die Klassik eingeführt. Damit hat sie auf Instagram enormen Erfolg mit ca. 300.000 Followern. Folgendes Video war besonders beliebt (über 2 Mio. Aufrufe). Darauf aufbauend wurden weitere Videos mit dem begleitenden Cellisten aufgenommen und größere Videoprojekte umgesetzt. Es lohnt sich also Postings, die gut laufen, weiterzuführen.

Ray Chen

Ray Chen postet nicht einfach One-Takes aus dem Probenraum: https://www.instagram.com/p/Bc2RnCgAAe_/ Seine Videos wirken häufig leichtfüßig, werden jedoch nicht leichtfertig gepostet. Jedes Bild oder Video unterstützt sein Image als hochklassiger Violinist mit Humor. Dabei wird jedoch auch von Kritikern angemerkt, dass seine musikalische Ernsthaftigkeit darunter leide, wie der New York Times Artikel belegt. Dieser Umstand kommt häufig vor, wenn klassische Musiker sich in einem Unterhaltungskontext zeigen. Dies sollte abgewogen werden, bevor man sich dafür entscheidet, als klassischer Musiker humorvoll aufzutreten.

Was kannst du davon nutzen?

Eine banale Schlussfolgerung wäre an dieser Stelle: produziere lustige Videos oder inszeniere dich als Model. Aber wie du gerade gesehen hast, kamen bereits vor dir einige Musiker auf diese Idee. Wenn Humor jedoch das ist, was andere an dir bewundern (abseits des musikalischen), dann solltest du dir eine Nische suchen, die noch nicht bespielt wird: Imitationen großer Instrumentalisten zum Beispiel oder sogenannte „Pranks“ oder VFX Effekte. Wie bereits erwähnt, lohnt es sich auch, Instagram nach Konzepten zu durchsuchen, die funktionieren, aber im Klassikbereich noch nicht umgesetzt wurden. Was den meisten deiner Videos oder Bilder jedoch gemein sein sollte: ein hoher Aufwand. Du spielst keine Konzerte ohne Proben, also nimm auch nicht einfach so ein Video auf.

Überleg‘ dir ein Konzept, hol‘ Partner ins Boot, die das können, was du nicht kannst und lass‘ es so aussehen, als hättest du es spontan ohne große Mühen erstellt.

ThatViolaKid

Vor etwa drei Jahren haben Philipp Krechlak und ich für musik-mitallemundvielscharf.de mit Drew Alexander Forde geskyped. Einem Bratscher, der in der berühmten Musikhochschule „Juilliard“ in New York studiert hat. Drew ist uns aufgefallen, da uns seine YouTube Videos beeindruckt haben. Darin redete er über sein Studium und spielte Bratsche – und war ein ziemlich cooler, humorvoller Typ. Die Zusammenarbeit kam leider nicht zustande, aber seitdem verfolge ich ihn auf Social Media. Dort ist er zwar humorvoll, aber eben keine „Ulknudel“ wie Ray Chen oder die Jungs von TwoSet Violin. Seine Instagram Postings zeigen ihn als coolen Typen, der ernsthaft, aber nicht spießig, klassische Musik spielt. Unter seine Bilder schreibt er häufig lange, private Texte. Damit baut er eine emotionale Bindung zu Followern auf, die er an seinem Leben teilhaben lässt.

Außerdem zeigt er oft Videos, in denen er übt und auch mit anderen Musiker zusammenspielt. Diese Videos sind meistens nicht fehlerfrei und gerade das macht ihn sympathisch. Es braucht schon eine Menge Selbstbewusstsein, um Videos hochzuladen, bei denen man mit einem zwinkernden Auge auf Fehler aufmerksam macht.

Besonders bemerkenswerte finde ich einige seiner Instagram-Stories. Diese kleinen Videos werden nach 24h gelöscht und daher sieht man darin häufig qualitativ minderwertige Aufnahmen, in denen man den Tagesablauf von Instragramern verfolgen kann. Mit seinen „cinematic Instagram Stories“ macht ThatViolaKid das genaue Gegenteil: Er zeigt darin hochwertig produzierte, mit einer Dramaturgie konzipierte Videos.

Igor Levit

Einen der bekanntesten deutschen Pianisten hätten wir glatt vergessen, danke an artness.net für den Hinweis.

Update: 17.08.2019

Igor Levit hat sich wohl von Instagram verabschiedet. Auf seiner Webseite ist zwar noch ein Profil-Link gesetzt – führt jedoch ins Leere. Der folgende Inhalt bezieht sich daher auf einen gelöschten Account von März 2018.

Als ich mir dessen Instagram-Profil anschaute, um herauszufinden wieso ich ihm folgen sollte, erschloss sich mir der Grund wieso ich ihn vergessen hatte: Wüsste man nicht, warum Igor Levit einer der großen Pianisten unserer Zeit ist, sein Instagram-Profil würde es nicht verraten. Trotz 3000+ Follower schwankt die Like-Anzahl zwischen 100 und 300. Während Igor Levit auf Twitter einen Account betreibt, den man einfach lieben muss, da er dort zeigt, dass er auch ohne Klavier eine Öffentlichkeit verdient, wird Instagram eher stiefmütterlich bedient.2Was hier aber kein Vorwurf sein soll. Social Media ist eben viel Arbeit. Die wenigen musikalischen Videos haben eine grausige Tonqualität, die Bilder sind meistens ein wenig belanglos.

Was kannst du davon nutzen?

Selbst, wenn dich die Chef-Musikkritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Eleonore Büning, als einen der größten Pianisten des Jahrhunderts bezeichnet, schenkt dir Instagram nichts. Zweite Erkenntnis: Auch ein Medium, bei dem du nichts von deiner musikalischen Qualität zeigen kannst (Twitter), kann für dich interessant sein. Igor Levit hat das geschafft – ohne Klavier.

Zusammenfassung

Die vorgestellten Beispiele geben keine klare Handlungsanweisungen. Es ist nicht ratsam, exakt die Strategie von Sarah Willis nachzuahmen und ab morgen nur noch Fotos vom eigenen Instrument zu posten.  Die Ideen dahinter können jedoch als Ausgangslage verstanden werden, um eine eigene Instagram Strategie zu erstellen.

  1. Einfache Konnotation aufbauen: „Du bist doch der mit XXX auf Instagram“
  2. Was läuft gut auf Instagram?3Mithilfe von sogenannten Social Media Monitoring Tools lassen sich Trends frühzeitig erkennen. Setzte es „klassisch“ um.
  3. Was ist das besondere an diesem Medium? Folge Vorbildern, interagiere mit anderen und spiele mit den technischen Möglichkeiten.
  4. Was finden die Nutzer gut? Denk‘ vom Betrachter aus.
  5. Humor ist hoher Aufwand. Nimm dich selbst nicht so ernst, aber deine Produktion umso mehr.

Ich hab‘ den einen klassischen Instagram-Musiker vergessen, dem du unglaublich gerne auf Instagram folgst? Schreib‘ ihn in die Kommentare und sag‘ mir, was ihn besonders macht. Freue mich über jeden Tipp!