Nachdem in Teil 5 eruiert wurde, welche Besucherdaten von Theatern gespeichert werden, schauen wir uns nun an, welche Stellschrauben die Marketingabteilungen drehen, um sich den Zielgruppen anzupassen.
Hinweis – unter Stellschrauben verstehe ich die sogenannten 4 Marketing Ps: Product, Place, Promotion, Price. Übersetzt und auf den Kulturbetrieb angepasst also: Das organisieren von Veranstaltung, das Anbieten verschiedener Vertriebswege, die Kommunikation von Botschaften (Werbung) und die Gestaltung des Ticketpreises.
Wie wurden die Daten in der Umfrage abgefragt?
Falls ein Theater besondere Veranstaltungen für eine der Zielgruppen anbietet (oder eine Veranstaltung anpasst) konnte es dies in der Umfrage mit einem Haken deutlich machen. Wenn es auch den Preis für eine Zielgruppe abändert, konnte es einen weiteren Haken setzen. Wenn es außerdem besondere Vertriebswege für eine Zielgruppe ermöglicht (Bsp. Ticketkauf über einen Reiseveranstalter für Touristen) konnte es einen dritten Haken anfügen. Mit „Werbung“ als Antwortmöglichkeit war gemeint, dass man die Kommunikation abändert, oder besondere Medien nutzen, um seine Botschaft zu verbreiten. 43 Theater haben diese Frage vollständig beantwortet.
Disclaimer: Mit dem Abstand von einem Jahr auf meine Masterarbeit würde ich heute sagen, dass die Frage etwas zu komplex war und bei den Befragten voraussetzte, dass sie die 4 Marketing Ps und deren Definition kennen. Das würde ich heute m.E. infrage stellen. Dennoch ist das Ergebnis interessant, um eine Tendenz zu erkennen.
Wer ist die Haupt-Zielgruppe?
Schauen wir zuerst, für welche Segmente/Zielgruppen am tiefsten geschraubt wird. Die Grafik (hier als Datei verlinkt) ist etwas komplex, da ich vermeiden wollte, viele Bilder einfügen zu müssen. Weil sie jedoch auch interaktiv ist, könnt ihr euch damit auseinandersetzen und selbst tiefer einsteigen.
Wie man sieht, wird für die „Altersgruppen“ am häufigsten an den Stellschrauben gedreht.
Lesehilfe: Wen ihr beispielsweise mit dem Mauszeiger in den orangenen Bereich der Altersgruppen klickt, wird angezeigt, dass 100% der Theater angegeben haben, dass sie die Preise für diese Zielgruppe ändern. Keine Überraschung, denn z.B. Schüler- und Studentenpreise kennen wir alle.
Darauf folgt das Segment der „Teilhabegruppen“, wie z.B. Freundeskreise und Sponsoren. (In der Umfrage wurden immer solche Beispiele angegeben). 70% bieten für diese Zielgruppen besondere Veranstaltungen an, aber nur 28% passen ihre Werbung den Bedürfnissen der Zielgruppe an. Häufig gibt es für diese Zielgruppe sogar eine eigene Stelle oder Abteilung (siehe komplette Masterarbeit).
Dem Segment der „Mediennutzungsgruppen“ (z.B. digitale Besucher) werden nur bei 20% der Theater besondere Veranstaltungen wie z.B. ein Live-Stream angeboten. Die Werbung wird für dieses Segmente hingegen mit 83% meistens angepasst. Das wundert auch nicht, denn z.B. Social Media spricht immer „digitale Besucher“ an.
[An dieser Stelle wird klar, dass ein und die selbe Person je nach Perspektive/Situation einem anderen Segment zugeordnet werde kann. Fragen wir nach der Häufigkeit des Theaterbesuches des Facebook-Nutzers, kombinieren wir das Segment der „Besuchsintensität“ mit dem Segment der „Mediennutzung“.]
Unter der Zielgruppe der „Besuchsintensität“ kann man z.B. „Heavy-User“ und „Neulinge“ subsumieren. Obwohl man erwarten würde, dass diese beiden Gruppen sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, wird für sie nicht sehr häufig an vielen Stellschrauben gedreht.
„Last-And-Least“ die Anpassung des Marketing-Mixes für psychografische Zielgruppen („Was ist das?“ –> In Teil 3 der Reihe nachlesen).
Um es anekdotisch zusammenzufassen: Theaterleute sagen häufiger folgende Sätze:
– Wir müssen junge Menschen erreichen
– Herzliche Einladung an alle Sponsoren
– Lasst mal was für Facebook machen
als solche Ansagen:
Erstbesucher sollten wir anders ansprechen
Die event-orientierte Zielgruppe kauft selten telefonisch Tickets
Heute -20% für Warenkörbe über 300€
Was die Kulturvermittlung mit dem Marketing verbindet
Wie kommt es nun, dass gerade das Segment der Altersgruppen eine so besondere Stellung einnimmt? Schaut man sich die tatsächliche Zielgruppe von Theatern an, könnte man schlussfolgern: „Klar, die Theater konzentrieren sich auf das Segment der ü60 Besucher“. Aber halt: Gibt es Seniorenpreise im Theater?
Nein, die gibt es nicht. Aber es gibt häufig Vergünstigungen für junge Menschen. Und ein Blick in die Statistik des Deutschen Bühnenvereines belegt auch, dass die Anzahl von Vermittlungs-Veranstaltungen gestiegen sind (Theaterstatistik 2016/17).
In meiner Umfrage gaben außerdem 96% der Theater an, dass sie partizipative Formate anbieten. Aus einer Marketing-Perspektive würde dieses Leistung dem sogenannten „kundenindividuelle“ Marketing zugeordnet werden und für eine sehr weit fortgeschrittene Personalisierung sprechen – für die es jedoch außerhalb der Partizipation wenige Anzeichen gibt.
Die schwerpunktmäßige Ansprache des Alterssegmentes (mit partizipativen Elemente) erfolgt daher nicht unbedingt aus einer Marketing-Perspektive, sondern erklärt sich aus einem kulturpolitischen Anstoß, welcher sich in „Kulturvermittlung“ äußert. Diese legt den Schwerpunkt nicht auf dem tatsächlichen Publikum, sondern auf einer Zielgruppe, die zukünftig für und mit Kultur angesprochen werden soll. Dafür passt es – anders als das Kulturmarketing – sogar das Kernprodukt des Theaters den Bedürfnissen der Zielgruppe an.
Erkenntnis
Kulturvermittlung lässt sich daher auch als Segmentmarketing verstehen, bei dem alle Stellschrauben angepasst werden, um bestmöglich den Bedürfnissen der Zielgruppe zu genügen.
Im nächsten Teil schauen wir uns genauer an, welche Mediakanäle (Social Media, Plakate, Flyer etc.) verwendet werden, um herauszufinden, ob die definierten Zielgruppen auch wirklich erreicht werden (können). Manche Kanäle können beispielsweise sehr gut Segmente ansprechen, die sich über ihren Ort definieren – aber bieten keine Möglichkeit, nur bestimmte Altersgruppe zu erreichen (Spoiler: Plakate).